30 Jahre Frauenhaus Köln
… denn sie wissen, was sie tun …
Ein Blick zurück auf das Jubiläumsjahr 2006
Im März startete das Jahr mit einem »feministischen 3-Gänge-Menü« zu Ehren der Gründerinnen und Unterstützerinnen. Viele der Gründungsfrauen sahen sich nach vielen Jahren zum ersten Mal wieder, genossen Speisen wie »Anti-Pastriarchat«, »Neue Lämmer braucht das Land« und »Feminis-Mousse« und tauschten angeregt Erinnerungen aus.
Ende April gab die Band »Köbes Underground«, Hausband der Stunksitzung Köln mit Kultstatus, ein Benefizkonzert im Bürgerzentrum Ehrenfeld. Mit ihren einmaligen »Kölschen Cover-Versionen« bekannter Hits und »respektlosen«, witzigen und schrägen Parodien begeisterten sie das Publikum!
Ein Jubiläumsempfang fand am 22. Juni im Bürgerzentrum Ehrenfeld statt:
»Was haben wir eigentlich zu feiern?« fragte Maria Mies in ihrer Rede. Sie ist Gründerin des 1. autonomen Frauenhauses in Köln und Autorin international einflussreicher feministischer, ökologischer und entwicklungspolitischer Bücher. Das Ziel der autonomen Frauenhausbewegung damals sei vor allem auch gewesen, Gewalt gegen Frauen abzuschaffen. Das Ziel sei nicht erreicht worden. Es gebe zwar Teilerfolge der Frauen-Haus-Bewegung aber: »Wir dürfen uns nicht zufrieden geben. Wir schreiben unsere Geschichte, während wir sie machen«
Tatsächlich gibt es seit in Kraft treten des Gewaltschutzgesetzes im Jahre 2002 eine statistische Zunahme der Gewalt gegen Frauen. Die Kriminalstatistik der Kölner Polizei verzeichnete einen Anstieg der häuslichen Gewalt von 2004 bis 2005 um 35,96 %.
Biggi Wanninger, Präsidentin der Stunksitzung Köln und Schirmfrau für das Jubiläumsjahr, stolperte ebenfalls über den Begriff »feiern«. Besser wäre es ja eigentlich, es gebe keinen Bedarf für Frauenhäuser.
Als sie in einer Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom September 2004 gelesen habe, dass jede 4. Frau von ihrem Partner misshandelt werde, sei sie erschrocken. Dass so viele Frauen betroffen seien, habe sie nicht gedacht.
Gewalt gegen Frauen ist ein gesellschaftliches Problem. Diese Tatsache ist heute mit Zahlen belegt und wird nicht mehr bestritten. Zur Gründungszeit des 1. Frauenhauses in Köln im Jahre 1976 war das noch ganz anders: Maria Mies, die in diesem Jahr ihren 75. Geburtstag feierte, erinnert sich, wie der damalige Sozialdezernent Hans-Erich Körner gesagt habe, die wenigen schlagenden Männer könne man »in einer Schubkarre wegfahren«.
2000 Unterschriften, von Studentinnen des Fachbereichs Sozialpädagogik an einem Nachmittag auf der Hohe Straße in Köln gesammelt, sprachen eine andere Sprache. Der Sozialdezernent musste sich den Tatsachen stellen – das 1. Frauenhaus wurde gegründet. Eine Grundfinanzierung durch die Kommune wurde – nach zähen Verhandlungen – zugesagt. Nach 15 Jahren wurde aus Platzmangel ein 2. Frauenhaus eröffnet.
In ihren Grußworten zum Empfang am 22. Juni betonten Bürgermeisterin Angela Spizig und Sozialdezernentin Marlis Bredehorst die Wichtigkeit der autonomen Frauenhäuser und bekräftigten ihren Willen, für den Erhalt der Frauenhäuser einzutreten. – Die Kommune habe allerdings kein Geld, die Anfang diesen Jahres umgesetzten Kürzungen der Landesmittel um 30% – 1 Vollzeit Sozialarbeiterinnenstelle pro Frauenhaus ist weggefallen – aufzufangen.
Der Jubiläumsempfang spiegelte die verschiedenen Facetten der Frauenhausarbeit wider:
Beschreibung der inhaltlichen Arbeit mit den Bewohnerinnen und mit den Kindern; kritische, politische Stellungnahmen; Erfahrungsberichte ehemaliger Bewohnerinnen; Geschichte und Erinnerungen; Kabarett (Wanninger und Rixmann) und Musik (Duo Vivente – Gitarre und Flöte) – Spaß, lachen und schöne gemeinsame Erfahrungen sind auch ein wichtiger Teil der Frauenhausarbeit. – Dazu ein buntes Büffet, das von ehemaligen Bewohnerinnen zubereitet wurde.
Weiter ging es am 10. September mit einem Benefiz Musik – und Kabarettabend im Gloria Köln.
Es wirkten mit: Wanninger und Rixmann, Wilfried Schmickler, Bläck Fööss, Coco Camelle, Harem Globetrotters sowie Villaine und Band. Durch das Programm führte Isabel Varell.
Lie Selter, eine der Gründerinnen des autonomen Frauenhauses und später erste kommunale Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Köln, erzählte humorvoll von ihren Erfahrungen in der Anfangszeit.
Eine bundesweite Fachtagung Autonomer Frauenhäuser vom 22. – 25. November bildete die letzte große Veranstaltung anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Autonomen Frauenhäuser in ganz Deutschland. Neben Köln wurden auch die Frauenhäuser in Berlin und Bielefeld 30 Jahre alt. Das Thema der – überwiegend frauenhausinternen – Tagung war:
„Gewalt gegen Frauen im globalen Kontext“
Einige der Vorträge und Arbeitsgruppen waren öffentlich.
Über die unmittelbare Arbeit mit von „privater“ Gewalt betroffenen Frauen hinaus war und ist für die Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser die Auseinandersetzung mit der politisch-gesellschaftliche Realität von Frauen wichtig und relevant. Aus diesem Grund wurden Referentinnen eingeladen, die Vorträge und Arbeitsgruppen anboten zu globalen Themen wie:
„Vom Kult der Gewalt zur Kultur des Friedens“, Ellen Diederich, Frauenfriedensarchiv Fasia Jansen, Oberhausen;
„Krieg ist immer Gewalt gegen Frauen“, Selmin Caliskan, medica mondiale, Köln.
Weitere Themen, die Frauenhausarbeit mittelbar und unmittelbar betreffen wie u.a.:
„Flüchtlingsanerkennung und Abschiebeschutz für Frauen nach Gewalterfahrungen“, Prof. Dr. Dorothee Frings, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Sozial- und Verwaltungsrecht, insbesondere Migrationsrecht;
„Gewalt ist nicht gleich und Gewalt macht nicht gleich – Überlegungen für differenzierte Unterstützungsangebote bei häuslicher Gewalt“, Prof. Dr. Barbara Kavemann, u.a. wissenschaftliche Begleitung der Interventionsprojekte gegen häusliche Gewalt im Auftrag des BMFSFJ 2004 bis 2005, derzeit Evaluation von Modellprojekten zu Kindern und häuslicher Gewalt;
„Sorge- und Umgangsrecht bei häuslicher Gewalt“, Heike Rabe, Juristin, u.a. wissenschaftliche Begleitung von 10 Interventionsprojekten gegen häusliche Gewalt;
„Der Garten als Brücke zur Integration und die Rolle der Frauen im Verein“, Najeha Abid, Kurdin aus dem Irak, Internationale Gärten Göttingen
Im Rahmen der Tagung startete die Kampagne der Autonomen Frauenhäuser zu
Sorge- und Umgangsrecht „Gewaltig groß werden“
Die Reform des Kindschaftsrechtes von 1998 hat gerade für Frauen und Kinder, die sich aus gewalttätigen Beziehungen trennen einschneidende und sehr oft nachteilige Konsequenzen. Mit dieser Kampagne wollen die Autonomen Frauenhäuser auf diese besondere Situation aufmerksam machen und die Öffentlichkeit für dringend notwendige Veränderungen sensibilisieren wie z.B., dass das Kindeswohl und der Schutz vor der Gewalt des Vaters Vorrang haben muss vor dem „Väterrecht“.
Kampagnengruppe „Gewaltig groß werden“ c/o ZIF – Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser, www.autonome-Frauenhaeuser-zif.de
Mit einem großen Frauenfest im Bürgerhaus Stollwerk am 24.11.06 wurde resümiert und gefeiert:
Das Jubiläumsfest wurde eröffnet mit einer Podiumsveranstaltung, an der Gründerinnen der drei ersten autonomen Frauenhäuser in der BRD (West) teilnahmen. So unterschiedlich die Situation der einzelnen Frauenhäuser damals war, so verschieden ist auch das jeweilige Resümée. Eine sicherlich spannende Auseinandersetzung mit drei Jahrzehnten Frauengeschichte im Kampf gegen Männergewalt. Das Begleitprogramm bestand aus Theater und Musik und wurde abgerundet mit einer Disko mit Musik aus drei Jahrzehnten.
Am 25.11., dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, demonstrierten Frauen gemeinsam gegen alle Formen von Gewalt an Frauen und Mädchen weltweit.
Laut singend und tanzend machten Frauen ihren Widerstand sichtbar.
Frauen machten Frauen Mut, sich gegen Gewalt zur Wehr zu setzen
Frauen feierten 30 Jahre Frauenhausbewegung
Frauen forderten die Ächtung von Männergewalt gegen Frauen